Es seien jetzt nur noch etwa 25 Minuten Anstieg zu Fuss bis zu seinem Dorf, kündigt unser Guide Noé an. Davor waren wir im Langboot von Rurrenabaque aus bereits etwa acht Stunden den Río Beni und den Río Tuichi hochgefahren. Und um nach Rurre zu gelangen, kann man entweder von La Paz aus fliegen oder zwei bis drei Tage auf teilweise katastrophaler Piste fahren. Mit anderen Worten: wir sind wieder einmal im Outback Südamerikas.
Das Dorf San José de Uchupiamonas befindet sich mitten im Madidi-Nationalpark, welcher in den letzten Andenfalten am Übergang zur bolivianischen Savanne liegt. San José spielt ein wenig die Rolle von Asterix’ Dorf in Gallien, denn der Nationalpark ist ständig bedroht: mal will die Regierung Holzfällergesellschaften den Zugang öffnen, mal einer spanischen Firma erlauben, den mächtigen Río Beni mit einem Wasserkraftwerk zu stauen, was einen Teil des Nationalparks unter Wasser setzen würde. Dabei ist dies eine der Regionen mit der höchsten Biodiversität der Erde. Und dann lehnen sich die “Uchupiamonen” auf, denn sie sehen ihre einzige Zukunft in einer intakten Natur.
Noé wuchs in San José auf, ging hier zur Schule und mit seinem Vater auf Jagd in den Urwald. Und nun führt er uns durch sein Dorf. Wie lange die Indios bereits auf dem Plateau von Uchupiamonas leben, weiss man nicht genau, aber 1616 hatten Franziskanermissionare hier ein Dorf gegründet und es San José genannt. Sie waren acht Tage marschiert. Heute gibt es einen Weg nach Tumupasa, der in der Trockenzeit während einiger Monate mit Traktor oder Motorrad befahren werden kann, sonst aber nur zu Fuss passierbar ist (35 km, acht Stunden).
Durch diese extreme Abgeschiedenheit sind die knapp 800 Einwohner Selbstversorger. Alles, was sie zum Leben brauchen, holen sie sich aus dem Regenwald, aus dem Río Tuichi oder kultivieren es selbst. Die meisten Häuser sind aus Holz oder selbst fabrizierten Lehmziegeln gebaut und mit den Blättern der Jatata-Palme gedeckt. Die Leute bauen Mais, Reis, Erdnüsse, etwas Baumwolle und vieles mehr an. Heute kommen auf dem Fluss- oder Landweg auch Geräte, Lebensmittel (Speiseöl, Teigwaren, etc.) und Medikamente ins Dorf.
«Exportiert wird praktisch nichts, und das Dorf wird von der Regierung vernachlässigt. Und somit kommt auch kein Geld herein» — keine gute Basis, um die Dorfinfrastruktur zu entwickeln. Trotzdem verfügt San José heute über ein Trinkwassersystem, Latrinen in jedem Haus, ein kleines Gesundheitszentrum mit einem Arzt, eine Primar- und Sekundarschule mit zwei Computern und Internet über Satellit. Und, so sagt uns Noé, seit zwei Monaten hätten sie auch Mobilempfang. Elektrifiziert ist das Dorf noch nicht. Einzelne Haushalte haben ein Solarpanel oder einen kleinen Generator, aber das Benzin für letzteren ist teuer.
San José betreibt seit 2002 die international renommierte Chalalán Lodge, die wir unterwegs passierten. Das Dorf baute alles selbst und bildet die Jungen zu Führern, Skippern, Köchinnen, Backoffice-Personal, etc. aus, damit sie Chalalán vom Marketing bis zum Zimmerservice selbst betreiben können. Die Löhne liegen einheitlich bei BOB 150 (CHF 20) pro Tag, der Rest geht an die Gemeinde.
Dass es dazu kam, ist Yossi Ghinsberg (Wikipedia) zu verdanken, einem Abenteurer aus Israel, der in den 90er-Jahren im Regenwald verscholl und von Fischern des Dorfes mehr tot als lebendig gefunden wurde (Buch «Back from Tuichi»). Als Dank half Yossi, internationale Organisationen zu mobilisieren. So kamen zum Einen USD 1.25 Mio zusammen, zum Anderen half Conservation International, dass der Nationalpark entstand, der die Basis dazu bildet. Und im Gegensatz zu vielen anderen solchen Projekten, gelang es San José, den Betrieb selbst zu stemmen und eines der besten und nachhaltigsten Regenwald-Angebote im Amazonas zu werden. (Mehr dazu in unseren nächsten Blog-Einträgen).
Noé betont, dass die Gemeinde das Geld auch in eine bessere Strasse investieren könnte, es aber vorzieht, die Jugendlichen auszubilden und ihnen qualifizierte Jobs im Tourismus anzubieten. Chapeau!
Danke für diesen Blogg. Bin immer wieder erstaunt, wie zwar die Technik Einzug hielt und auf der anderen Seite doch sehr vieles sehr primitiv gemacht wird. Hat den Vorteil, dass die Menschen beschäftigt sind.
Was auch immer schön zu sehen ist, dass die Menschen da über mehr Raum zum Leben verfügen und vermutlich auch die Gemeinsamkeit mehr pflegen.
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